Ok. Hier kommt dann alles rein, was sich bei mir so häuft:
Gedichte, Geschichten, Bilder. Mehr ist nicht drin.. na dann.
Ich fange mal mit einer uuuneeendlich langen Geschichte an:
Der Kelpiezüchter Iras Larsson knallte die Tür zum Zwinger seiner Mutterhündin mit einem lauten Knall zu. Die Hündin, die man Lily nannte, bellte und winselte, wobei sie mit den Pfoten am Gitter kratzte. Sie wollte raus. „Zum Teufel noch mal, leise, Hund!“, fauchte Larsson. Er drehte sich vom Zwinger weg und spuckte aus. Iras Larsson war ein untersetzter Mann. Seine faltige braune Haut wirkte ebenso schmuddelig wie seine dreckige alte Jeans-Latzhose und sein rotes Cappi. Er trug knallgelbe, aber sehr schmutzige Gummistiefel und hatte graues Haar mit weißen und schwarzen Strähnen. Deutlich zeichneten sich die Muskeln unter seinem lachsfarbenen Hemd ab. Larsson war in jüngeren Jahren eine echte Schönheit gewesen, aber seid er Hundezüchter war und seine Frau bei einer Schiffahrt nach Italien verschollen war, achtete er weder auf sich selbst noch auf seine Hunde. Lily bekam in einem Jahr ca. 4 Würfe Welpen, obwohl sie erst drei Jahre alt war. Die ehemals hübsche, schokoladenbraune Kelpiehündin war sein erster Hund gewesen, gefolgt von Skruff, einem Hund, der schon fast fünfzig Preise gewonnen hatte, allerdings mehr als hyperaktiv war. Auch jetzt sprang er am Gitter hoch und bellte so laut, dass es im Gebälk der Scheune knarrte. Larsson nahm ein Stück Holz und warf es gegen Skruffs Gitter, sodass dieser vor Schreck verstummte. Gleich darauf begann er, ohrenbetäubend zu heulen wie ein Wolf. Lily mit ihrer zittrigen, hohen Stimme fiel mit ein. Und die zweite Mutterhündin Alice kauerte in ihrem Körbchen und knurrte ohne Unterlass, als wollte sie sich eine Schlafmusik singen. Larsson fluchte und brüllte etwas, aber seine Stimme ging im Gebell unter. Der Mann drehte sich um, hob den Eimer vom Boden auf, in dem er den Hunden das Futter gebracht hatte, und lief zum Ausgang. „Schweinehunde!“, schimpfte er noch, dann fiel die Tür zu. Es war nur ein leises Klicken, aber sobald dies geschehen war, verstummten die Hunde völlig. Alice knurrte zwar immer noch vor sich hin, als würde sie zu Gott um ein besseres Leben beten, aber alle anderen waren leise. Skruff zerfetzte sein Körbchen zu Stoff- und Wattekrümeln, und Lily lag dicht am Gitter zusammengesackt, die Zähne in die Maschen gegraben. Aber sie würde sie nicht durchbrechen. Ihre zwei 7-wöchigen Welpen im Zwinger auf der anderen Seite der Scheune schliefen und winselten dabei leicht. Schlafen war das normalste Verhalten, welches Larssons Hunde an den Tag legten. Alles andere, was sie taten, war weder normal, noch positiv. Jede einzelne Zelle der Hunde in der Scheune hatte es satt, Larsson zu sehen, hatte es satt, sich auf ihrem eigenen Schlafplatz lösen zu müssen, hatte es satt, Öl, Bratensoße und Kartoffelschalen als Futter zu bekommen. Ursprünglich hatte Lily fünf Welpen gehabt, doch einer war tot auf die Welt gekommen, der andere hatte irgendetwas ungenießbares gefressen und der andere, die schwächste Welpin, war, da ihre Geschwister sie nicht an das Fressen ließen, verhungert. Lily erinnerte sich nicht mehr daran. Sie war es Leid, auch Skruff wollte nicht, Alice war kaum noch zu rehabilitieren und die zwei Welpen, die jetzt in dem gegenüberliegenden Zwinger schliefen – was sie anging, war es fraglich, ob sie überleben würden. Ja, Iras Larsson war ein sogenannter Tierquäler, allerdings nannte er sich selbst einen Züchter. Schon viele Welpen hatte er für gutes Geld verkauft, welche kaum einen Monat bei ihren neuen Familien leben durften, ehe sie starben. Lily wusste dies nicht. Sie, die Mutterhündin – Alice war zur Zeit unfähig, Welpen zu kriegen, da sie jeden, der sich ihr näherte, biss – sah nur, wie ihre eigenen Welpen ihr kurz nach der Entwöhnung weggenommen wurden, und darum zögerte sie diese möglichst lange heraus. Larsson war der Feind der Hunde. Die Hunde waren Larssons Feinde. Ja, er zog seine eigenen Feinde groß, wohl nur aus dem Grund, weil er jemanden brauchte, an dem er seinen Frust auslassen konnte.
Iras Larsson inzwischen trat auf seinen Hof. Einige zerrupfte Hühner, die bald im Kochtopf landen würden, pickten auf dem Hof herum und flatterten panisch weg, als Larsson sich näherte. Er nahm eine Hand voll Brotkrümel und warf diese achtlos über ihre Köpfe, dann setzte er den Eimer ab und schlenderte über den Hof. Wie sein Besitzer wirkte auch dieser schmuddelig und ungepflegt: Der morsche, immer feuchte Lattenzaun hatte mehrere Löcher, und am Dach fehlten Ziegelsteine. Der Kamin war windschief, sein oberer Teil war wohl bei einem Gewitter hinunter gefallen. Die Scheune, in der sich die Zwinger befanden, war groß, aber nass. Man könnte sagen: Einsturzgefärdet. Iras Larsson pflegte seine eigene Unterkunft genauso wenig wie die der Hunde, weshalb es auch kein Wunder war, dass sein Haus auch nicht ungefährlich aussah.
Inzwischen in der Scheune war wieder Ruhe eingekehrt. Die Hunde knurrten vor sich hin und gingen er einzigen Beschäftigung nach, die man in solchen Situationen tun konnte: Sie schliefen. Außer Skruff, der schon immer eine Ausnahme gewesen war...der große, ehemals hübsche Rüde lief in seinem Zwinger im Kreis und grummelte vor sich hin. Als würde er nachdenken.
Iras Larsson schritt wie ein König über den Hof zu seinem Haus. Bei jedem seiner Schritte zuckten die Hühner zusammen oder gackerten erschrocken. Der gedrungene Mann nahm keine Notiz von ihnen. Er schloss die Haustür mit einem rostbraunen Schlüssel auf und langte dann mit einem seiner schmutzigen Finger in einen Blumenkasten neben der Tür. Dort legte er den Schlüssel hinein und strich in Zeitlupe Erde darüber. Ein Klicken und ein Luftzug, dann schloss sich die Tür. Im Haus rumste etwas. Dann ein Schlurfen.
Im Schuppen schlugen die Hunde an. Ganz plötzlich, ihre Mäuler mit den scharfen gelben Zähnen öffneten sich genau gleichzeitig, und die Hölle brach los. Skruff warf sich mit Elan gegen das Gitter und fiel wieder zurück, die anderen Hunde bellten im Chor und die Welpen stritten sich lauthals jaulend, wer von ihnen sich in die dunkelste Ecke verkriechen durfte. Sie bissen sich sogar. Lily wechselte mit ihren trüben Augen einen Blick mit ihrem Gefährten und setzte zu einem langgezogenen Heulen an. Bald darauf hörten sie Krach, und Iras Larsson kam in den Schuppen gestürzt, die Schreckensgestalt, die sie alle fürchteten und hassten. Gleichzeitig ertönte auf dem Hof das Röhren eines Automotors und ein lautes Hupen. Ein Hupen, was so viel sagen wollte wie „Ich bin da!“ oder „Passen sie mal auf!“ Larsson zuckte zusammen. „Still, oder ich drehe euch die Hälse um!“, flüsterte er den „Mistkötern“ zu. Dann wischte er sich die Hände an der Hose ab und stürzte hinaus auf den Hof. Die Hunde verstummten nicht. Was erwartete Larsson auch? Er hatte sie nie erzogen, und das hatte er eben davon.
Der Rechtsanwalt Lukas Mannshaim riss die Autotür auf und ließ den Gurt zurückschnallen. Der elegante Ford parkte auf einem halb verfallenen Hof, auf dem träge ein paar Hühner pickten. Der blaue Himmel war mit weißen Wolken getupft und die spärliche Herbstsonne warf Glanz auf den schwarzen Lack des Fords. Herr Mannshaim war dabei, einen Auftrag auszufüllen. Einen Auftrag seiner Kunden. Der junge Mann stieg aus und schlenderte über den Hof. Bald war er beim Haus, das dreckig und undicht auf dem Hof stand und so aussah, als würde ein Windhauch es umwerfen. Herr Mannshaim drückte auf den Klingelknopf. Darauf stand: Iras Larsson, Hundezüchter.
Nicht lange war es her, seit seine Kunden einen Kelpie-Welpen zu sich genommen hatten. Von ebendiesem Züchter. Doch schon bei der Abholung war das Tierchen krank gewesen, und nun schwebte es in der Tierklinik zwischen Leben und Tod. Nun hatte er erfolgreiche Rechtsanwalt den Auftrag bekommen, Herren Larsson zu einer Gerichtssitzung zu laden. Hiermit kam er der Aufforderung nach. Unverantwortungsvolle Züchter gab es oft, bisher hatte sich der Advokat noch nie darum geschert, was Züchter mit ihren Hunden machten. Aber als aus der Scheune lautes Gebell ertönte, Heulen und Knurren, lief ihm eine Gänsehaut über den Rücken und er war froh, als Iras Larsson, ein untersetzter Mann, ohne Hunde aus der Scheune über den Hof gestürmt kam und winkend vor dem Auto inne hielt. In der Hand hielt er einen Eimer. Als er die feine Kleidung und die ernste Miene des Herren Mannshaim sah, legte er den Eimer ab und schnauzte: „Na los, lassen sie es raus, ich hab nicht viel Zeit.“
„Herr Iras Larsson, nehme ich an?“, sagte Herr Mannshaim und setzte seine geschäftlich ungerührte Miene auf. Der Mann, den er vor sich sah, war eindeutig nicht der Typ, der freiwillig sauberes Geschäft macht. Herr Mannshaim kannte sich da aus. Er musterte den kompakten Mann durch die dicken Brillengläser und erkannte sofort deren Unwillen, dieses Gespräch zu führen.
„Natürlich. Und sie sind dieser Rechtsanwalt.“ Larssons Stimme klang herablassend und gelangweilt. Sofort blies sich Herr Mannshaim auf und sagte steif:
„Ich bin gekommen, um sie in eine Richtssitzung zu laden. Am 12. 2. 2011 findet sie im größten Gerichtssaal statt. Meine Kunden beschuldigen sie unter anderem der Tierquälerei.“
„So, so, tun sie das“, knurrte Larsson und spuckte aus. Eines der Hühner flatterte heran und pickte auf Herr Mannhaims Schuhe. Larsson lachte spöttisch. „Ich sage ihnen auch etwas: Wenn jemand den kleinen Hunden etwas getan hat, dann ihre Kunden! Bei mir geht es den Hunden gut. Nur, dass sie es wissen. Und jetzt verlassen sie den Hof, das ist Hausfriedensbruch!“ Der alte Mann sah dem Rechtsanwalt voller Hass in die Augen. Lukas Mannshaim fauchte: „Ich gehe, aber ich komme wieder. So etwas, wie das was sie hier treiben, kann der Staat nicht dulden. Wir sind Demokratiker und keine altmodischen Barbaren!“
Iras Larsson funkelte dem großen Mann noch lange wutentbrannt hinterher, als dieser längst in seinen Ford gestiegen und abgefahren war.
Im Leben jedes illegalen Hundezüchters kommt einmal der Tag, an dem er einsieht, dass er seinen Job aufgeben muss. Freundliche Menschen bringen die Hunde ins Tierheim und verduften ans Meer, unfreundlichere Züchter öffnen die Zwingertüren, scheuchen die Hunde auf die Straße und ziehen ab da als Landstreicher durch die Gassen. Und Iras Larsson gehörte ohne Zweifel zu den Letztgenannten.
Lily lag in ihrem Zwinger. Ihr dicker Kopf ruhte auf ihren dreckigen, mit braunem Fell besetzten Pfoten, als schliefe sie. Aber das tat sie nicht. Ihre erstaunlich hellen, stechend ginsterblauen Augen huschten in der halbdunklen Scheune hin und her. In ihrem Hundehirn arbeitete es kaum. Dann, plötzlich, drang ein Geräusch an ihr Ohr: Leise Schritte, das übliche schlecht gelaunte Brummen ihres Besitzers und das dumpfe Krachen des Eimers, wenn er gegen Larssons Knie schlug. Es war ein Reflex, eine tief verwurzelte Gewohnheit, die Lily dazu brachte, zu reagieren. In Windeseile war sie auf den Pfoten und stimmte ihren schrillsten Alarmbellton an. Das Kläffen hallte laut durch die zugige Scheune, und die anderen Hunde sprangen hellwach auf und begannen sofort, zu bellen. Die zweite Mutterhündin Alice bellte laut, noch ehe sie die verklebten Augen aufbekommen hatte, teils, um zu melden, dass ihr der plötzliche Lärm Angst machte, teils, weil sie fürchtete, etwas zu verpassen, und teils, weil das Wenn-jemand-kommt-kläff-Ritual tief in ihr verwurzelt war. Die Hunde bellten, und während sie bellten, warteten sie gespannt. Auf was, wussten sie nicht.
Bald geht´s weiter, ich hab im Moment nicht so viel Zeit.
........
BLUE...
»Wozu gibt es Menschen?«
»Damit wir unseren Spaß haben können.«